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Fall Hessenthaler: Unkritischer Richter, unfaires Verfahren
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des falterverlags und der falterredaktion
falter.at, 06. 04. 2022
von Florian Klenk
Der Mann hinter dem Ibiza-Video, Julian Hessenthaler, wurde also wegen des Verkaufs von 1,25 Kilogramm Kokain zu 3,5 Jahren – nicht rechtskräftig – verurteilt.
Die Verteidiger hatten das ebenso prophezeit wie Hessenthaler selbst. Ein Politurteil, wie sie beklagen? Gesprochen von einem Richter, der sich wie die Richter der "30er- und 40er-Jahre benimmt", wie Hessenthaler im Puls-4-Interview aus der U-Haft nachschob?
Nein, das ist Quatsch. Im Hessenthaler-Prozess geht es um etwas anderes: um die scharfe Kontrolle polizeilicher Arbeit in Drogenprozessen, um genaue Beweisführung und um das Prinzip "in dubio pro reo". Das Gericht hat diesen Job nicht gut erledigt.
Im Gegenteil: Hessenthalers Verfahren hat gezeigt, dass die Justiz – und hier insbesondere der voreingenommen wirkende Richter Markus Pree – keine gesteigerte Lust hatte, bezahlte Zeugen, befangene Polizisten und verwaschene Anzeigen einem echten Stresstest zu unterziehen. Im Gegenteil: Das Verfahren wurde in die Länge gezogen, der Prozess schlecht gemanagt (eine Einvernahme in Serbien zog sich wochenlang hin) und die Verteidiger wie lästige Bittsteller abgekanzelt – anstatt sie als Verbündete bei der Wahrheitssuche zu sehen.
Was war geschehen? Nach dem Ibiza-Skandal suchten Strache-Freunde einer Sondereinsatzeinheit fieberhaft nach den Hinterleuten des Videos und fanden zwei drogenkranke Figuren, Eva H. und deren Freund Slaven K., die kokainsüchtig waren und deshalb verurteilt wurden.
K. und ein Kumpel bekamen dann von einem Novomatic-Lobbyisten 65.000 Euro, um belastbares Material über Hessenthaler zu sammeln, jenen Mann, der die Novomatic in große Probleme gebracht hatte. K. übergab gefälschtes Zeug und kassierte das Geld. Später belasteten er und Eva H. Hessenthaler und unterstellten ihm, 1,25 Kilo Koks verkauft zu haben.
Das Gericht hätte diese Aussagen mit großer Vorsicht bewerten müssen. Denn sowohl K. als auch H. widersprachen sich. Sie bezichtigten sich wechselseitig der Lüge, brachten Details durcheinander, und es kam heraus, dass H., psychisch schwer labil, zehnmal ohne Dolmetsch befragt worden war, obwohl sie viele Fragen gar nicht verstanden hatte.
All das hätte stutzig machen müssen, zumal die Arbeit der befangenen Soko Tape vorvergangene Woche von der WKStA für derartig unprofessionell bewertet wurde, dass sie der Truppe den gesamten Ibiza-Akt entzog. Die Behörde habe "gesetzliche Vorgaben missachtet", so die WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda.
Prees Schöffensenat vertraute dieser Einheit dennoch. Dass sich die Zeugen widersprachen, sei ein Beweis, dass sie sich nicht abgesprochen hätten, so seine Logik. Die zweite Instanz sollte sich den Fall sehr genau ansehen, anstatt ihn abzunicken.
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